Lipödem – die neue Trendkrankheit?
Hip-Dips, Reiterhosen sowie ein bisschen mehr auf den Hüften entsprechen nicht dem allgemeinen Schönheitsideal. Viele Frauen leiden darunter und möchten den überflüssigen Hüftspeck wieder los werden. Normalerweise ist dieser kein Grund zur Sorge, denn während einer Gewichtsabnahme verschwinden Reiterhosen und Co. in der Regel. Doch was ist, wenn sich trotz langer Diät einfach nichts an den Beinen ändert? Ein Grund dafür könnte die Krankheit Lipödem sein, unter der sogar Kraftsportler und einige Fitness-Influencer leiden. Ob das Lipödem eine ernst zu nehmende Krankheit oder doch nur eine Trendkrankheit und eine Ausrede für dicke Beine ist, erfährst du im heutigen Blogbeitrag.
Was ist ein Lipödem?
Das Lipödem gilt als chronische Erkrankung, die sich durch eine Fettverteilungsstörung auszeichnet. Im Falle der noch relativ wenig erforschten Krankheit sind die Gründe der abnormalen Vermehrung des Unterhautfettgewebes noch unbekannt. Diese ist einerseits zu erkennen - besonders am Unterkörper, andererseits für Betroffene auch zu spüren. Denn durch die Krankheit Lipödem scheinen nicht einfach nur dickere Beine zu entstehen. Oft leiden Betroffene unter schmerzenden Spannungsgefühlen, Berührungsempfindlichkeit, Blutergüssen sowie Ödemen (Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe).
Bei wem, wann und wie oft kommt das Lipödem vor?
Die Krankheit tritt normalerweise ausschließlich bei Frauen auf. Nach der Pubertät oder der Schwangerschaft sowie zum Teil in späteren Lebensjahren macht sich das Lipödem bemerkbar. Des Weiteren existieren zum Lipödem sehr unterschiedliche Daten bezüglich des prozentualen Anteils der Betroffenen. Soweit bekannt, sind schätzungsweise fast 4 Millionen Frauen in Deutschland von der Krankheit betroffen. Zudem unterscheidet sich wahrscheinlich die Prävalenz von Land zu Land.
Es sind nicht nur die Beine!
Die Körperform der Patientinnen verändert sich einfach gesagt zu einer „ausgeprägteren Birnenform“, wohingegen dies bei Normalgewichtigen am besten zu erkennen ist. Allerdings sind in über 30 % der Fälle auch der Oberkörper, insbesondere die Oberarme, betroffen. Zudem treten interessanterweise die körperlichen Veränderungen immer symmetrisch auf. Insofern können z. B. beide Beine komplett oder lediglich beide Oberschenkel betroffen sein. Äußert sich das Lipödem an der gesamten Beinlänge, wird dies auch als „Säulenbein“ bezeichnet. Andere Patienten leiden ebenfalls unter so genannten muffartigen Fettvermehrungen, die dann als „Türkenhosen-Phänomen“ bezeichnet werden.
Das Lipödem schreitet voran
Obwohl die Wissenschaft noch keine konkrete Ursache der krankhaften Vermehrung des Unterhautfettgewebes feststellen konnte, äußert sie dennoch ein paar Vermutungen. Möglicherweise führen genetische Veranlagungen zu einem Ausbrechen der Krankheit, da lediglich weibliche Familienmitglieder davon betroffen sind. Außerdem ist wahrscheinlich eine sogenannte Kapillarpermeabilitätsstörung mit für das Entstehen des Lipödems verantwortlich. Dabei gelangt zu viel Flüssigkeit aus dem Gefäßsystem zwischen die Gefäße (auch Interstitium genannt). Infolgedessen entsteht ein vermehrtes Flüssigkeitsangebot im Körper, wodurch der Körper den Lymphtransport zunächst steigert. Allerdings kommen die Lymphgefäße mit dieser Dauerbelastung nicht zurecht, weswegen sie die Transportkapazität mit der Zeit reduzieren. Im Anschluss dessen entsteht folgendes Problem: In einigen Körperpartien kann überflüssige Gewebsflüssigkeit nicht mehr abtransportiert werden, sodass auf diese Weise Ödeme entstehen, unter denen Lipödempatientinnen oft leiden. Je stärker diese Ödeme bei den betroffenen Frauen werden, desto höher das Lipödem-Stadium. Es wird zwischen drei verschiedenen Stadien unterschieden.
Merke: Je stärker die Krankheit voranschreitet, desto höher ist zum einen das Stadium und desto mehr subkutanes Fett sowie eiweißreiche Ödeme entstehen. Zum anderen führen die Ödeme auch zu einem vermehrten Verlust von gesundem funktionsfähigem Gewebe, was wiederrum zu einem verminderten Lymphtransport führt. Besonders im dritten Stadium ist das Gewebe dann auffallend härter als normal.
Die Lage der Betroffenen
Das Lipödem ist mehr als „einfach nur dickere Beine“. Zumal Betroffene oft unter Beeinträchtigungen im Alltag sowie psychosozialen Belastungen leiden, was z. B. zu Depressionen führen kann. Im schlimmsten Fall führt ein Lipödem zu Arbeits- sowie Berufsunfähigkeit. Bei über der Hälfte der Lipödem-Patientinnen liegt zudem die Krankheit Adipositas (BMI >30) vor. Allerdings sollte Adipositas und Lipödem nicht gleichgesetzt oder gar verwechselt werden, da Adipositas den kompletten Körper betrifft - im Gegensatz zum Lipödem. Außerdem vermehrt sich das Fett bei adipösen Menschen besonders sichtbar am Bauch- und Hüftbereich. Ob nun die Adipositas zu einem Lipödem führt oder das Lipödem zu einer Adipositas ist noch nicht bekannt. Gleiches gilt für Depressionen und Lipödem. Was war zuerst? Ärzte gehen durch klinische Erfahrungen beispielsweise davon aus, dass vorbestehende psychische Belastungen zu der Entstehung des Lipödems beitragen können.
Behandlung und Diagnose? Gar nicht so einfach!
Neben klassischen Methoden, wie regelmäßiger Fettabsaugung sowie dem Tragen von Kompressionsverbänden bzw. -strümpfen, empfehlen einige Ärzte zudem psychosoziale Therapie als Ergänzung zur Behandlung. Wichtig ist aber ebenso eine Bewegungstherapie, um das Körpergewicht zu senken, da Adipositas und Übergewicht aktuell als Risikofaktoren zu der Erkrankung Lipödem gelten.
Die Behandlungsmethoden haben jedoch ihre Schwächen, denn wie bereits erwähnt, fehlt das Hintergrundwissen zur Ursache des Lipödems. Infolgedessen können nur Symptome behandelt werden. So wird oft bemängelt, dass nach einem Jahr des letzten Fettabsaugungstermins das Gewicht in Form von Körperfett wieder zugenommen wird. Weitere Kritikpunkte sind: Maßnahmen, z. B. Bewegungstherapie sowie Fettabsaugung zur Gewichtsreduktion wirken sich nur minimal auf die veränderte Körperfettverteilung aus. Außerdem führen sie zu Essstörungen. Zudem gilt die Aussage: „Gewichtsabnahme zeigt keinen Effekt auf das Lipödem“ als Mythos. Zur Belegung fehlen wissenschaftliche Evidenzen und klinische Erfahrungen widersprechen dieser Behauptung. So stellten behandelnde Ärzte fest: Gewichtszunahme ist ein Trigger für das Entstehen eines Lipödems. Hingegen führt eine Gewichtsabnahme bei vielen Patienten zu einer Besserung ihrer Schmerzen bis zur kompletten Beschwerdefreiheit.
Außerdem entstehen nicht selten schon Probleme bei der Diagnose. Oft wird das Lipödem auch bei ähnlichen Krankheiten wie z. B. der Adipositas gar nicht oder viel zu oft diagnostiziert. Zudem scheint sich das Lipödem momentan als eine Art Trenddiagnose für Menschen mit dickeren Beinen zu entwickeln.
Was du mitnehmen solltest
Das Lipödem ist mit zahlreichen Unsicherheiten verbunden. Hörst du Aussagen dazu, solltest du das berücksichtigen. Schließlich scheint beim Lipödem noch kein Fakt so richtig in Stein gemeißelt zu sein.
Wir finden auch, dass es für alle Beteiligten wichtig ist, eine erhöhte gesellschaftliche Akzeptanz zu entwickeln. Unter einem Lipödem zu leiden, bedeutet nicht einfach nur „dick sein“, sondern ist auch mit körperlichen sowie psychischen Schmerzen verbunden.
Wichtig ist ebenfalls das Anstreben von Normalgewicht, da dies eine gewisse Sicherheit zu geben scheint, damit die Krankheit nicht ausbricht. Unser Kilopurzler-Shake ist eine ideale Möglichkeit eine Mahlzeit zu ersetzen und so einer Gewichtsreduktion einen Schritt näher zu kommen.
Quellen
- Bertsch, Erbacher. Phlebologie: Lipödem – Mythen und Fakten Teil 1. 2018; 47(02): 84-92.
- Bertsch, Erbacher. Phlebologie: Lipödem – Mythen und Fakten Teil 3. 2018(04): 188-198.
- Bertsch et al.Phlebologie: Lipödem – Mythen und Fakten Teil 4. 2019; 48(01):47-56.
- Buso et al. Lipedema: A Call to Action! 2019 (10):1567-1576
- Peprah, MacDougall. Canadian Agency for Drugs and Technologies in Health: Liposuction for the Treatment of Lipedema: A Review of Clinical Effectiveness and Guidelines. 2019.
- Schupke et al. Department of Dermatology, Venereology and Allergology: Thick legs – not always lipedema. 2013; (3):225-33.
- Lipödem: Welche Behandlung ist sinnvoll? 2019.